Europaschule

Kritische Fragen, ehrliche Antworten


Zum EU-Projekttag besuchte David Preisendanz (CDU), der neu gewählte Bundestags-Abgeordnete des Wahlkreises Esslingen, das THG, das seit diesem Jahr Europaschule ist.

 

Auf dem Podium in der THG-Aula stand ein schwarzes und rotes Sofa, was aber keineswegs ein Hinweis auf die neue im Bund regierende große Koalition sein sollte. Die Schüler*innen, die am 26.5.2025 das Gespräch mit David Preisendanz moderierten, bewiesen dennoch gesichertes Wissen in der politischen Farbenlehre und platzierten den CDU-Mann David Preisendanz auf dem schwarzen Sofa, bevor sie mit ihren Fragerunden begannen. Sie hatten einige, auch kritische Fragen vorbereitet, die der neu gewählte Wahlkreis-Abgeordnete zum Teil erstaunlich ehrlich beantwortete, wie die versammelten vier Zehner-Klassen später in den Feedback-Runden anerkennend anmerkten. Sie hatten sich in den vergangenen Wochen intensiv im Unterricht – und auch bei einer eintägigen Fahrt ins EU-Parlament nach Straßburg – mit dem Thema Europa auseinandergesetzt.

 

Der Besuch am THG – es war die Premiere für den neuen Bundestags-Abgeordneten – fand im Rahmen des so genannten EU-Projekttags statt, an dem im ganzen Bundesgebiet Abgeordnete und Politiker an Schulen gehen, um mit den Jugendlichen zum Thema Europa und EU ins Gespräch zu kommen. Am THG war dieser Besuch in diesem Jahr besonders passend: Seit diesem Jahr sind wir eine von fünf Europaschulen im Landkreis Esslingen. Das ist Auszeichnung und Verpflichtung zugleich, den Europa-Gedanken auch mit solchen herausragenden Veranstaltungen zu pflegen.

 

Die Vorstellungsrunde übernahmen Lina Oberkersch und Manuel Kohler aus der 10c, die zunächst auf die Biografie von David Preisendanz eingingen und ihn fragten, warum er den Quereinstieg aus der Wirtschaft – Preisendanz war Wirtschafts-Anwalt bei Bosch – überhaupt gewagt hat. Die Antwort überraschte: Als gewählter Gemeinderat in Ostfildern und Spross einer politischen Familie hat der 41-Jährige aus Kemnat so viel Lust darauf bekommen, sich zu engagieren, dass er sich entschloss, bei der Kandidaten-Nominierung im Wahlkreis Esslingen seinen Hut in den Ring zu werfen. Diese Nominierung war denn auch die größte Hürde auf dem Weg in den Bundestag, denn der Wahlkreis Esslingen ist traditionell fest in CDU-Hand. Sein Vorgänger Markus Grübel wurde 2002 zum ersten Mal und fünfmal wieder gewählt. Eine spielerische Entweder-Oder-Fragerunde und eine Runde, bei der er Sätze spontan beenden musste, schloss Runde 1 ab. „So etwas wird nun öfter kommen“, sagte Preisendanz, aber er schlug sich wacker und die Zehntklässler im Publikum erfuhren nebenbei, dass er Hund (statt Katze), Meer (statt Berge) und Bier (statt Cola) bevorzugen würde.

 

Dann ging es natürlich um Europa und die EU (Moderation: Justus Christiani 10a, Malia Klemeyer und Elias von Scholz 10b). Schwerpunkte hier: die neue sicherheitspolitische Rolle Europas nach dem teilweisen Rückzug der USA unter Trump, die Wirtschaft innerhalb Deutschlands und im Verhältnis zu den USA, Entwicklungshilfe und natürlich: Migration. „Dass Einwanderung geregelter abläuft, halte ich für unsere Gesellschaft für sehr wichtig“, sagte Preisendanz. Aber er stellte als Mitglied einer christlichen Partei und dreifacher Familienvater auch klar, dass wir auch eine Verpflichtung haben, mit Geflüchteten human umzugehen: „Es kann einfach nicht sein, dass wir sagen: dann ertrinken die halt.“ Er wünsche sich, dass da baldmöglichst eine gesamteuropäische Lösung auf dem Tisch liegt und nicht jedes Land versuche, das Probleme auf eigene Faust zu lösen. Preisendanz sitzt im Bundestag im Rechts- und Europa-Ausschuss.

 

Schließlich fühlte das dritte Moderatoren-Team (mit Lara Andacic 10a, Elena Hammer und Sara Mauz 10d) dem Bundestags-Abgeordneten aus der speziellen Sicht von Jugendlichen und jungen Menschen auf den Zahn. Der Klimawandel spielte eine Rolle, aber auch die Gefahr, die aus Sicht von David Preisendanz von populistischen und extremen Parteien ausgehe, die die sozialen Medien noch bedeutend effektiver bespielen würden, als es die etablierten Parteien tun. Der CDU-Politiker betonte, dass er einen Unterschied zwischen der AfD mache, die „die Demokratie zerstören wolle“ und der Linken, die am Tag der Wahl des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz „Verantwortung“ gezeigt habe, indem sie den zweiten Wahlgang am gleichen Tag mit ermöglichte. Im letzten Teil des Gesprächs kam aber auch zum Ausdruck, dass Jugendliche aktuell mit Sorge in die Zukunft schauen, vor allem was die Sicherheit angeht und den weiterhin ungelösten Krieg in der Ukraine. Ganz oben steht für Jugendliche da offenbar die Frage nach der Wiedereinführung einer allgemeinen Wehrpflicht, die nach Einschätzung des CDU-Abgeordneten in der „einen oder anderen Form“ kommen wird.

 

Fazit der Veranstaltung: Die jugendlichen Moderator*innen haben ein sehr informatives Podium vorbereitet und souverän über die Bühne der Aula gebracht. David Preisendanz hat eine gelungene Premiere bei seinem ersten Schulbesuch gefeiert. Und: Demokratie heißt auch, immer wieder und viel öfter miteinander reden.

 

Text und Fotos: Jürgen Roos